Das Verständnis von Gesundheit und die Diagnose von Krankheit in der Tibetischen Medizin
Das Hauptanliegen der Tibetischen Medizin besteht weniger in der Bekämpfung von Krankheits-Symptomen als vielmehr darin, die Ursache oder Wurzel des Übels zu erfassen und zu behandeln. Durch Puls-, Urin- und visuelle Diagnose kann bereits das Entstehen von Krankheit verhindert werden, noch bevor die Krankheit zum Ausbruch kommt. Wenn die Krankheit sich bereits manifestiert hat, ist die Herkunft der Krankheit und deren Ursache für die tibetischen TherapeutInnen von höherem Interesse als die Krankheitssymptome an sich. Dies wiederum bedeutet, dass solange die Ursache nicht aufgehoben ist, die Gefahr besteht, dass die Störung wiederholt auftreten kann.
Die
Diagnose einer Krankheit basiert auf den erlernten Kenntnissen und der Erfahrung der ÄrztIn/TherapeutIn der Tibetischen Medizin durch die geschulten fünf Sinne, dem Tast-, Geschmack-, Geruchs-, Seh- und Hör-Sinn. Dazu gehören auch die Beobachtung und Befragung des Patienten. Puls und Urin-Diagnose zeigen Gleichgewicht und Ungleichgewicht von drei Körper-Prinzipien (nyepa) an: 'Wind' (lung), 'Galle' (tripa) und 'Schleim' (peken). Sie werden manchmal auch als 'Energien' oder 'Körpersäfte' bezeichnet ähnlich der griechisch-Galenischen und vor allem der ayurvedischen Medizin, die die Tibetische Medizin mitbeeinflusst hat. Körperlich-physiologische Faktoren und seelisch-geistige sowie psychologische Aspekte werden gleichwertig in die Beurteilung des Zustands einer Person und ihrer Krankheit einbezogen. Die Therapie besteht daher in der entsprechenden medizinischen Anwendung von pflanzlichen und mineralischen Heilmitteln und beinhaltet ernährungs- und verhaltenstherapeutische Hinweise.
In der Tibetischen Medizin wird auch viel Wert auf die Vorbeugung gelegt. In den Tibetischen Medizin-Texten wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass man durch geeignete Lebensweise, richtiges Verhalten und richtige Ernährung den körperlichen-seelischen Zustand vorbeugend stabilisieren und nicht erst im kranken Zustand heilen soll, um Krankheit von vornherein zu vermeiden.
Wir erreichen eine Balance, indem die fünf Elemente bzw. die drei Prinzipien (von Körper und Geist) in einem harmonischen Verhältnis zu sich selber, zu den Zellen, Organen und zum ganzen Universum stehen. Dadurch sind die sieben Grundsubstanzen unseres Körpers, die in Verbindung zu allen körperlichen Organismen stehen, im Gleichgewicht wodurch wir wiederum das Gleichgewicht im Wesen überhaupt erreichen und bewahren können.